… „to look the destination“

Wir hatten uns vorgenommen people in motion, also Menschen in Bewegung beizustehen und sind deshalb nun auch abseits der Stadt auf der Suche. Aber wo sind sie – die Menschen auf den Wegen zu Grenze. Wo sind die Wege die sie nehmen, die geheimen, die verschlungenen, verborgenen. Wo machen sie ihre letzte Rast, um Atem und Mut zu schöpfen, einen Schluck Wasser. Nochmal prüfen ob auch alles dabei ist – nochmal austreten und den Scheiß hinter sich lassen.

Wir stromern durch Gebüsch und durch verlassene Schuppen.
Spurensuche, wie ein Detektiv oder Fährtensucher. Wir finden Spuren – aber von wem, von wann? Liegt Herbstlaub darauf? Ist das Klopapier frisch? Was sagt der Müll über den Vorbesitzer? Wieviele Füße haben das Gras zum Pfad zertrampelt und in welche Richtung?

Wir würden anbieten, wunde Füße zu versorgen, ihnen einen Schluck Wasser anbieten. Ihnen eine gute Reise wünschen. Aber wollen sie das? Sind sie da nicht schon auf dem Sprung zum Sprint zum Zaun der nur noch wenige Kilometer entfernt liegt? Verraten wir sie womöglich und führen mit unserer Anwesenheit die Grenzpolizei zu ihrem Versteck? Ist unsere Anwesenheit schon Warnung an die Grenzer?
Schwierig.
Wir hörten von einer zurückgeprügelten Gruppe, die sich verborgen hielt. Gebrochene Rippe(?), verstauchter Fuß(?). – You need Medical help? – No!
Sie kennen uns nicht – die Angst der Gruppe, entdeckt zu werden, ist größer als der Schmerz. Spannungen in der Gruppe werden größer.

Wir waren gestern wieder am Haus mit dem Waschraum (scabie-wash) – das vor 3 Tagen abends von der Polizei heimgesucht worden war und wo die Sachen von der Polizei verbrannt worden waren.
Den Menschen geht es gut. Sie sind herzlich wie zuvor. Handschlag, Lachen.
Nachfragen nach dem Wohlbefinden, Kochtipps: Ihr braucht die Kartoffeln nicht schälen, da geht fast eine Mahlzeit bei drauf. Oh – Euer Topf ist weg?! – Kurzerhand wird ein neuer für das Haus besorgt.

Heute sind die Bewohner des Hauses zu den Duschen eingeladen. Dort wird dann auch mal frische Unterwäsche ausgegeben. Vielleicht kommt auch die Frau mit. Und vielleicht findet sich auch mal richtige Frauenkleidung in dieser Männerklamottenwelt.

Ortswechsel. Am Güterbahnhof schleicht ein Güterzug an uns vorbei. (Die Eisenbahner haben sich auf die Anwesenheit eingestellt.) Ein junger Männer nähert sich dem Zug, greift zu – und ich denke, dass er doch eine bessere Stelle zum Aufspringen hätte suchen sollen – aber er lässt ab. Neben mir steht ein anderer Mann: „They grabing the Paper,“ erklärt er mir, „to look the destination.“ Und ich sehe den Frachtzettel – in der Hand des zukünftigen Hobos wie eine Fahrkarte.

Der Geruch von Rauch und Müll in den Räumen und die Scherben unter den Schuhen machen mir (Falko) kaum noch was aus. Die freudigen Gesichter sind stärker.